Marion Pichlerbauer

 

Tag 1

 

Hallo, mein Name ist Marion 33 Jahre alt, verheiratet. Ich habe einen 5-jährigen Sohn und einen 22jährigen Stiefsohn (nein, mein Mann ist nicht so alt, er hat nur früh angefangen 😉)

Wer mich kennt, weiß das ich ab und an auf meinem Insta – Account über meine Krankheit schreibe, deshalb bin ich dankbar an diesem Projekt teilnehmen zu dürfen, um eine weitere Chance zu haben, dieses wichtige Thema aus der Tabuzone zu holen.

Über meine Erfahrung zu sprechen, gibt meiner Krankheit nochmals mehr Sinn und letztendlich habe ich dann das Gefühl aus der ganzen Scheisse doch noch Etwas Positives gemacht zu haben.

Auch wenn psychische Krankheiten schon mehr Gehör finden, sind sie noch immer mit vielen Vorurteilen verbunden. Aber abgesehen davon, ist es mir weitaus wichtiger, dass Menschen wissen, dass es Hilfe gibt. Es muss nicht gleich eine professionelle Anlaufstelle sein, auch das Reden mit einer Vertrauensperson, kann schon Vieles verändern.

Es ist mir ein großes Anliegen, darüber zu reden, damit sich in den Köpfen der Menschen, dass Bild verändert, nachdem eine Depression eine „Schwäche“ ist – eine Depression ist eine ernstzunehmende Krankheit mit weitreichenden Folgen.

 

 


 

Tag 2

 

 

Ich war das Nestscheisserlund habe in meiner Familie immer Liebe und Unterstützung erfahren, trotzdem war ich immer schon sensibel und sehr schüchtern. Meine Mutter hat ihr bestmögliches gegeben, mir eine schöne Kindheit zu bescheren, dennoch war sie immer überschattet von der Alkoholsucht meines Vaters. Wer schon mal mit einem Alkoholiker zusammen gelebt hat, weiß das man co- abhängigist. Wann kommt er nach Hause, wie kommt er nach Hauseobwohl man es insgeheim weiss, hofft man in jeder besseren Phase das er es jetzt schafft aufzuhören.

Meinen ersten schweren Verlust erlebte ich mit 12, meine geliebte Oma starb im Urlaub an einem Herzinfarkt, sie kam in einem Sarg nach Hause.

Wie fast alle Kinder, wurde auch ich in meiner Pubertät schwierig, vorrangig habe ich mich von meinem Papa distanziert, weil ich ihm so übelnahm, dass er nicht endlich aufhört mit dem Trinken.

Als ich 17 war, lag er morgens tot im Bett, wieder ein Herzinfarkt. Darüber hinaus das sein plötzlicher Tod, eine Riesenlücke hinterließ, tat ich mich sehr schwer damit, weil an diesem Tag auch mein Wunsch nach dem Happy Endgestorben ist.

In den folgenden Jahren fand ich weiterhin keine Ruhe. Schicksalschläge in der Familie und Freundeskreis, verschiedene andere Geschehnisse, in regelmäßigen Abständen hat es immergeknallt. Es war natürlich nicht Alles rein negativ, dennoch waren es nicht alltäglicheDinge die mein Leben beeinflusst haben und mich sehr lange beschäftigten.

 

 

 


 

 

Tag 3

Unbewusst begann ich die fehlende Kontrolle im Außen, auf Dinge zu übertragen, die nur ich in der Hand hatte Putzen und mein Gewicht. Das Putzen wurde äußerst zwanghaft und ich wurde immer penibler. Auch bei meinem Gewicht, wurde ich wahnhaftigund anstatt mit gesunder Ernährung, hielt ich es mit Unmengen Kaffee, Zigaretten und aß kaum Etwas. Weil ich immer schon auf den nächsten Knallwartete, versuchte ich mich durch selbstauferlegenden Dauerstress abzulenkenja nicht nachdenken was da noch kommen kann.

Vor meiner Schwangerschaft war ich somit psychisch und körperlich eigentlich schon am Ende. Es war auf keinen Fall so, das ich mit niemand reden hätte können, oder mir niemand geholfen hätte, ich selber war so verbohrt in der Vorstellung Alles alleine schaffen zu müssen. Mein Körper griff noch auf jegliche Reserven zurück, um die Schwangerschaft heil zu überstehen. Nach der Geburt und einem ungeplanten Kaiserschnitt, war ich 4 Tage zuhause, als ich mit Schlaganfallsymptomen wieder ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Schnell wurde klar das es sich um eine schwere Depression handelt und ich wurde in die Psychiatrie eingewiesen. Die Behandlung dort war leider für mich nicht sehr hilfreich und nach meiner Entlassung ging es mir nicht besser. Anfangs glaubte ich noch, wenn ich mich genug bemühe, dann wird das schnell besser. Homöopathie, Alternativ, Schulmedizin, Yoga, Gewaltmärscheman kann sich denken, dass ich deshalb von einem Rückfall in den nächsten stolperte. Irgendwann kam auch bei mir an das ich nur eines brauchte Erholung. Zu dieser Zeit war ich jede Woche bei meiner Psychologin, den all das Verdrängte der letzten Jahre forderte jetzt Aufarbeitung. Nach jeder Stunde musste ich einige Tage, die Emotionen von damals nochmals durchlebenteilweise habe ich geschrien vor seelischen Schmerz! Ungefähr nach einem Jahr

konnte mein Körper die Last nicht mehr tragen, ich schlief nicht mehr, aß nicht mehr, hatte kaum noch Schmerzempfinden. Ich war nicht mehr Herr meines Handelns und stellte eine Gefahr für mich selber dar! Meine Psychiater wies mich unverzüglich in eine andere Psychiatrie ein. Dort wurde ich professionell und liebevoll betreut und nach meiner Entlassung habe ich zumindest wieder halbwegs funktioniert. Dennoch blieb ich weiterhin eine teilnahmslose, abgestumpfte Version meiner Selbst.

 

 

 

Tag 4

Im Frühjahr 2019 war der absolute Tiefpunkt erreicht insgeheim hatte sowohl ich als auch mein Mann und meine Mutter die Hoffnung aufgegeben, das sich mein Zustand irgendwann bessert. Mittlerweile lebten die Beiden seit 3 Jahren mit einer fremdenPerson zusammen und ihre Nerven lagen blank.

Nach einer enormen Gewichtszunahme wegen des Antidepressivum, entschied ich mich damals wiedermal mein Medikament zu wechseln das 6te Mal. Es war wahrscheinlich ein Zusammenspiel mehrere Faktoren, ich nahm ab und mit der gewonnenen Energie raffte ich mich auf um wieder mehr am Leben teilzunehmen. Schleichend über Monate verbesserte sich mein Zustand, mein altes Ichkehrte zurück und endlich fühlte ich mich wieder lebendig. Auch zeigte sich jetzt was die Krankheit und die Verhaltenstherapie in mir verändert hatten. Ich schluckte nichts mehr hinunter, traute mich mehr meine Meinung zu äußern und auch das Wörtchen Nein fand Einzug in meinem Wortschatz. Durch mein Feingefühl merkte ich schnell meine Grenzen und hatte gelernt darauf zu reagieren.

 

 

Tag 5

 

Heute, 2 Jahre später gelte ich als stabil. Heilung wäre ein zu großes Wort, aber wer ist schon wirklich heil?! Meine Psyche und ich leben im Frieden, solange ich mich an die Regeln halte. Ich werde für den Rest meines Lebens ein erhöhtes Risiko haben wieder eine schwere Depression zu erleiden. Es wäre gelogen zu sagen das ich meiner Depression dankbar bin, aber ohne diese Höllehätte ich wohl nie Etwas geändert. Trotzdem hat sie mir 3 Jahre meines Lebens genommen, 3 Jahre die ich mir so schön ausgemalt habe, 3 Jahre mit meinem Sohn. Eine Tatsache an der ich heute noch zu knabbern habe nicht selten fange ich zu weinen an wenn ich eine Mutter mit Kinderwagen sehe, ich trauere sehr um diese Zeit, die mir niemand zurück geben kann.

Ich durfte die wundervolle Erfahrung machen, wie gut es mir tat endlich mit meinem Umfeld offen reden zu können, nichts mehr verstecken zu müssen.

Meine Familie, Freunde und Arbeitskollegen, zeigten immer wieder aufrichtiges Interesse und verschonte mich mit sinnfreien Ratschlägen aller:Im Frühling, wenn die Sonne wieder scheint, wird’s dir besser gehen!Käme jemals jemand auf die Idee so Etwas einem Krebskranken zu sagen?!

Ich möchte Menschen ermutigen, darüber zu reden, wenn es ihnen Scheisse geht. Niemand sollte still vor sich hin leiden müssen. Um Hilfe zu fragen ist keine Schwäche, es beweist großen Mut.

Ich hätte mir und meiner Familie soviel Leid erspart, wenn ich früher um Hilfe gebeten hätte.

 

 

 

Tag 6

 

Heute gibt es wieder ein Video für euch.

 

 

Danke lieber Patrick Stanglmaier für den Schnitt und die Bearbeitung.